Was mein Leben reicher macht – Max ist Marie
Posted on 29/04/2014 by kathrin
Kennt Ihr die Rubrik „Was mein Leben reicher macht“ in Die Zeit? Es gibt so viele Tage in meinem Leben, an denen ich etwas dazu schreiben könnte: Wenn morgens die Sonne auf meinen Kaffee scheint, wenn ich unserem jüngsten Sohn etwas vorlese und er sich dabei an mich kuschelt, wenn wir gemeinsam einen Ausflug machen, wenn ich nachts noch einen Spaziergang mache und es nach Frühling duftet, wenn ich von einer besonders schönen Hochzeit komme, auf der ich tolle neue Menschen kennenlernen und ganz besonders schöne Bilder machen durfte, wenn eine Familie mir ihr Vertrauen geschenkt hat und ich einen Babybauch kurz vor der Geburt und kurz darauf das neugeborenes Baby fotografieren durfte. Und das: Ein Zimteis von Santinis in Lissabon :-)…
Jetzt habt Ihr alle dazu beigetragen, dass Marie und ich etwas ganz Großes zu berichten hätten. Nach meinem Blogpost über unser Transgender Projekt „Max ist Marie“ gab es eine Welle der Unterstützung, die ich kaum beschreiben kann. Ihr habt auf Facebook geteilt und geliked (13.072 Menschen haben bisher meinen Post auf Facebook gesehen. Mehr als 100 neue Follower auf Facebook. Meine Güte, wie kann ich diesem Vertrauen nur gerecht werden. Ich danke Euch allen von ganzem Herzen.); unter dem Blogpost habt Ihr unser Projekt mit ganz wunderbaren Worten kommentiert; Ihr habt getwittert und so viele Mails geschickt, dass ich mit dem Beantworten kaum hinterher kam. Von allen Seiten kam Unterstützung, Aufmunterung, sogar Bewunderung und Dank! Marie und ich wussten, dass dieses Projekt wichtig ist. Mit einer solchen Resonanz aber hatten wir nicht gerechnet. Danke!
Soviel Offenheit! Mails voller Vertrauen von Trans*Menschen, die kleine Ausschnitte aus ihrem Leben erzählen. Trans*Frauen und -Männer, seit Jahren geoutet und in einer festen Beziehung oder gerade erst am Beginn des Weges, mit OP oder ohne, im Studium, in der Ausbildung, seit Jahren berufstätig oder auch nicht, kraftvoll im Leben stehend oder suchend…. Aus ganz Deustschland, Österreich und der Schweiz meldeten sich mehr als 40 Menschen jeden Alters, die bei unserem Foto-Projekt über Transgender dabei sein möchten.
Wie sehr freute und freue ich mich über die Reaktion „meiner“ Brautpaare, die mir schreiben, wie glücklich sie sind, dass ich sie begleitet habe oder begleiten werde und dass sie mich nun erst recht buchen würden!
Zuspruch kam auch von völlig unerwarteter Seite. Eine Germanistikstudentin, die mir ihre Hausarbeit zur Verfügung stellt: „Ich sitze in der Uni und bin im Netz über deinen Blog gestolpert. Ich bin weder transsexuell noch habe ich jemanden in meiner näheren Umgebung der sich im falschen Körper fühlt. Vor geraumer Zeit berichtete eine Bekannte, dass in ihrem Freundeskreis eine Mutter über Transsexualität sprach, dieses „sonderbare“ Thema. In unserem Gespräch kam ich zu dem Schluss, dass ich mein Kind liebe weil es mein Kind ist und nicht weil meine kleine E. ein Mädchen ist. In Sekunden war ich für sie gleichermaßen „sonderbar“. Ich fühlte mich gekränkt obwohl ich nicht mal betroffen bin und empfand das als sehr beklemmendes Gefühl. Ich machte mich im Netz schlau und war schockiert und beeindruckt zugleich. Berichte von Eltern transsexueller Kinder rührten mich zu Tränen und machten mich gleichzeitig sauer auf Behörden, Ämter und die Gesellschaft. (…) Ich stellte mit Erschrecken fest, dass es keinerlei Literatur gibt zu diesem Thema. Ich fand das so schade, dass ich meine Hausarbeit in Germanistik dem Thema Transsexualität in Kinder- und Jugendliteratur widmete.“
Ein junger Mann schickte mir diese Mail: „Hi! Ich wollte nur sagen wie schön ich dieses Projekt finde, wie gut. Wie einfühlsam 🙂 Und ich konnte die „gelöschten Zeilen“ trotzdem hören, aber das ist schon OK. Wut ist eine sehr starke Energie, wenn man sie lenken kann. Warum ich schreibe? Weil einer meiner besten Kumpel FtM Transgender ist, er war der Auslöser, dass ich mich mit dem Thema überhaupt beschäftigt habe. Und vielleicht ist das der Punkt meiner Mail: Ich hoffe, sie stören sich nicht an den Menschen, die einfach noch nie Kontakt mit dem Thema hatten. Denn diese verdienen Aufklärung, nicht Wut. Und ich bin froh, dass ihre Tochter eine so akzeptierende Familie als Rückhalt hat!“
Eine Therapeutin beschreibt eine kleine Alltagsituation und greift damit genau das auf, was wir in unserem Transgender Projekt zeigen möchten: „Ich arbeite seit vielen Jahren therapeutisch, hatte aber meine erste Begegnung mit Transsexualität (wie es damals hauptsächlich genannt wurde) Anfang der 80er Jahre als ich noch als OP-Schwester für einen Ästhetisch-Plastischen Chirurgen in Hamburg gearbeitet habe. A. kam aus London und war eine Transfrau. Wir haben ihr Gesicht operiert und sie musste vorher zum Arzt um die Blutwerte checken zu lassen. Sie kam völlig fassungslos wieder zu uns in die Praxis weil der Arzt, bei dem sie vorher war zu seiner Sprechstundenhilfe sagte: nehmen Sie *ES* mit ins Labor!“
Situationen, wie Marie und ich sie kennen, genau wie Ihr.
Und dann kamen die Interviewanfragen. Unter anderem von einem Kloster in Berlin. Und die Anfrage eines bekannten Online-Magazins, das meine Bildstrecke veröffentlichen möchte. Spätestens da wurde mir klar, wie sehr Transgender ein Thema ist, das bewegt.
EUER BEITAG ZUM PROJEKT – EURE FOTOSESSION
Wie geht es jetzt weiter? Zunächst einmal mit vielen neuen Begegnungen und Fotosessions.
Am kommenden Wochenende darf ich an der Ostsee eine junge Transfrau fotografieren, am 20.05. werde ich in Flensburg und Friedrichstadt eine Transfrau und einen Transmann kennenlernen und fotografieren dürfen. Das war’s dann erstmal mit Mai, denn die Hochzeitssaison ist in vollem Gange :-).
Später im Jahr werden Marie und ich nach Berlin und Basel fahren. Ganz sicher werden wir im Herbst in NRW sein, denn im November ist Geburtstermin der Tochter eines Transmannes und ich möchte ihm und seiner Frau gerne schöne Fotos des Babybauches oder auch Ihres Babys schenken können. Weitere Stationen in Deutschland folgen Anfang nächsten Jahres. Ich freue mich so darauf, Euch alle kennenzulernen und unser Projekt mit Euch weiter gestalten zu können.
Denn dass Ihr mitgestaltet, ist für mich ein ganz wichtiger Aspekt des Projektes. Es geht darum, die trans* Thematik als etwas „Normales“ zu zeigen, als etwas, das Menschen, die sich vorher nicht damit beschäftigt haben, verstehen können wollen und sollen. Etwas, das ganz einfach da ist, so wie es ist.
Deshalb möchte ich Euch zeigen, so wie Ihr lebt. Mit allem, was Euch gut tut und Geborgenheit gibt – und mit allem, was Euch belastet.
Meine Bilder wollen zeigen: Was tust Du, wenn es Dir nicht gut geht? Wann ist das der Fall? Wo fühlst Du Dich wohl, was gibt Dir Geborgenheit?
Jede(r) einzelne von Euch entscheidet, was und wie sie/er sich zeigen möchte und was sie/er in diesem Projekt zum Ausdruck bringen möchte.
Ich möchte Euch gerne Zuhause und in Eurer Umgebung fotografieren. Menschen, die Euch wichtig sind und die Euch Halt geben, können natürlich gerne dabei sein und ich würde ich sie in ein/zwei Bildern gerne auch aufnehmen, wenn sie mit einer Veröffentlichung einverstanden sind.
Dokumente, die Euch wichtig sind, würde ich gerne fotografieren dürfen. Das können Briefe sein, die Euch gut getan haben, die Bankkarte, auf der zum ersten mal Euer richtiger Name stand – oder auch ganz besonders ärgerliche Krankenkassenberichte; Eure Namen werde ich bei der Veröffentlichung ausschwärzen. Bitte legt auch gerne ein Foto aus Eurer Kindheit bereit, wenn das für Euch in Ordnung ist.
Wir möchten nicht nur mit Bildern arbeiten: Zu der Fotostrecke würden wir gerne etwas über Euch schreiben. Wann hast Du gemerkt, dass etwas anders ist? Wie war die Reaktion Deiner Umwelt auf das Outing und wie fühlte sich das für Dich an? Gibt es einen Satz, der Dich besonders getroffen hat? Und einen, der Dir Kraft gegeben hat? Das können wir beliebig erweitern. Wieder: Ihr entscheidet, wie weit Ihr gehen möchtet und was Ihr uns und der Welt (mit-)teilen möchtet.
Wenn Ihr Euch wohler damit fühlt, werde ich die Texte später einfach in das Buch einstreuen, sie müssen gar nicht neben den Bildern der Person stehen, von der sie stammen. Es geht darum, zu zeigen, womit Ihr Euch neben dem „ganz normalen“ Leben beschäftigt, was Euch Energie raubt und was Euch glücklich macht.
Bitte teilt und teilt und teilt 🙂 unser Transgender-Projekt und erzählt davon. Wir freuen uns über jede(n), die oder der dabei sein möchte. Je mehr dabei sind, desto mehr werden wir bewegen.
Es sieht ganz so aus, als erwarteten Marie und mich ganz viele schöne vertrauensvolle Momente und mich viele ganz besonders einfühlsame Fotosessions. Ganz viel zu berichten in „Was mein Leben reicher macht.“ 🙂
ach ich freu mich so für Euch! Das ist so wunderbar, aber war auch nicht anders zu erwarten. Auch wenn viele Menschen es manchmal nicht kapieren, dass es nichts gibt was unnormal ist, so hat der Großteil der Menschheit es in seinem tiefsten inneren doch schon verstanden!
Also wie gesagt, wenn ich irgendetwas zum Erfolg beitragen kann, Du weißt wo Du mich findest 😉
Ich drück Dich!
Martina.
liebe kathrin und liebe sophie,
ich bin ganz gerührt von eurer authentischen art zu berichten, von dem ungekünstelten und dem ton, den ihr trefft. eurem projekt wünsche ich alles erdenklich gute und werde es gerne verfolgen. viele liebe wünsche von anja
Liebe Kathrin,
das Projekt ist so toll und dass so viele mitmachen spricht eindeutig dafür,dass die Zeit gekommen ist uns zu hören und zu sehen.
Ich wünsche Dir und Marie noch weitere schöne,innige und herzliche Begegnungen.
Liebe Katrin,
gerade stieß ich auf einen Link auf der Website „lesarion“ bezüglich deines Fotoprojekts „Sören ist Sophie“. Es gibt ganz viele Leute, die sich also unheimlich darüber freuen und es zieht sicher weite Kreise.
Im Prinzip möchte ich dir nur mienen Respekt und meine Freude entgegenbringen. Dir und deiner Tochter sind da ein klasse Projekt gelungen. Besonders aufgefallen ist mir ein Satz von dir, den ich sehr schön fand: „Ich möchte euch zeigen, so wie ihr lebt“. DAs hat für mich etwas mit „Sichtbarmachen“ zu tun.
Ich schreibe dir , weil ich mich gerade mit dem Thema beschäftige. IN Frankfurt studiere ich Ethnologie und werde höchstwahrscheinlich meine Bachelorarbeit zum Thema Transgender schreiben. Da bin ich in der Planung. Die Arbeit soll auf einer Forschung basieren, die ich gerade angehe. Ethnologen sind am Alltag des Menschen interessiert. An den Zusammenhängen, die es gibt zwischen Kolltkotv und Indivuduum. Und ich speziell kann mir nur so schwer vorstellen,dass Menschen nicht begreifen, dass es manchmal schwierige Spielarten der Natur gibt, unter denen die Seele leiden kann. So wie bei Transgender-Leuten. Kürzlich erzählte mir meine Wohnheimnachbarin von körperlichen Übergriffen auf sie. DAs hat mich so wütend gemacht. Aus gan vielen Gründen, finde ich es also mutig und sooo sooo notwendig, dass jemand einen Schritt tut, der Weg führt vom „Exotisieren“ und hin zum Verstehen. Dazu möchte ich auch beitragen mit meiner Arbeit. Wie schön wäre es, wenn es eine Art VErmittlung geben kann zwischen „den Welten“. Ein bisschen habe ich das GEfühl, das ist genau das war ihr bzw. du zu tun begonnen habt.
Eine Frage habe ich ich noch. Es geht letztlich um den Zugang zu den Menschen. Ich vermute, dass du deutlich mehr ERfahrung hast, als ich sie bisher machen konnte. Da mein Thema in etwa folgendens sein soll:“ Transgender: Selbst- und Fremdwahrnehumg“ (mit starkem Bezug zum Körper und Idealen, Wünschen, Angsten etc.) ist es gar nicht so einfach einen guten Zugang zu wählen, ohne die anderen vielleicht vor den Kopf zu stoßen. Wie erlebst du den Umgang mit dem Thema der Veränderung des Körpers.
Ist es etwas, dass eher in den intimen Bereich gehört oder etwas zentrales, dass auch genauso deutlich im Gespräch formuliert wird. Meine Nachbarin, von der ich eben schrieb, zum Beispiel geht da sehr konkret udn offen mit um im Zweiergespräch, ohne dass ich einen Impuls gegeben hätte.
Liebe Katrhin, ich wäre dir sehr dankbar, wenn du mir einen kurzen Eindruck deinerseits spiegeln könntest.
Alles Gute, für deine Familie und dich! Ihr wirkt unheimlich stark. Es tut richtig gut, deine Seite zu lesen.
Im Übrigen ist der Rest deiner Webseite ebenso überaus ansprechend. *thumbsup
Viele herzliche Grüße,
Josie